Wie sich erfolgreich lernen lässt

Um Lernende in ihren Lernprozessen gezielt begleiten zu können, ist Wissen über lernpsychologische Vorgänge gefragt. Wie sich dieses Wissen im Ausbildungsalltag umsetzen lässt, zeigen fünf Leitprinzipien, die erfolgreiches Lernen unterstützen.

Verschiedene Illustrationen
llustration: Captns

Von Marlise Kammermann

Wer lernt, konstruiert Wissen und Können auf der Grundlage des eigenen Vorwissens sowie der eigenen Erfahrungen, Überzeugungen und Haltungen und entwickelt dieses Wissen im Austausch mit anderen weiter. Was bedeutet dies genau für das berufliche Lernen?

Lernen funktioniert subjektiv, aktiv und kontextgebunden

Damit Lernende neue Inhalte verstehen, sich an sie erinnern und sie anwenden – sprich lernen – können, müssen sie sie mit ihrem Vorwissen und ihren Erfahrungen verbinden. Diese müssen aktiviert werden, damit sie mit neuen Inhalten verknüpft werden können. Wissen und Können ist also kontextgebunden, deshalb spricht man auch von situiertem Lernen. Daraus leiten sich die Prinzipien eins und zwei ab.

Lernen funktioniert selbstgesteuert

Erfolgreiches Lernen bedingt Selbststeuerung durch die lernende Person in Bezug auf Motivation und Emotion, Metakognition sowie Kognition. Lernen ist immer auch geprägt vom Lernumfeld, also der Berufsfachschule, dem überbetrieblichen Kurs, dem Betrieb und dem privaten Umfeld. Daraus leiten sich die Prinzipien drei bis fünf ab.

1. Prinzip: Vorwissen aktivieren

Illustration Kopf mit Spinnennetz in den WolkenIllustration Kopf mit Spinnennetz in den Wolken
llustration: Captns

Ausbildende aktivieren das Vorwissen der Lernenden, indem sie sie vor neuen Aufgaben dazu auffordern, Erlebnisse zum Thema zu erzählen sowie Begriffe zu nennen und Bezüge zu machen. Dies wird erleichtert, indem die Lernenden von Situationen erzählen und sich gegenseitig Fragen dazu stellen. So werden Erlebnisse und Erfahrungen, aber auch Begriffsnetze im Gedächtnis aktiviert und erweitert. Es ist wichtig, dass die Lernenden ihr Vorwissen aktivieren, kritisch überprüfen und mit neuem Wissen verbinden.

2. Prinzip: von konkreten Situationen ausgehen

Illustation verschiedene Gebäude mit Prozess
llustration: Captns

Ausbildende sorgen dafür, dass Lernende ihr Wissen und Handeln aktiv, selbstständig und interaktiv auf der Basis von Situationen aus dem Berufsalltag konstruieren. Dabei machen sie implizites Wissen aus dem Lehrbetrieb explizit, das heisst: Sie reflektieren und diskutieren praktische Erfahrungen gezielt und verbinden diese mit dem Wissen aus der Berufsfachschule, damit ein Lerntransfer über die drei Lernorte möglich wird.

3. Prinzip: Motivation der Lernenden fördern

Illustration Berg mit Fahnen
llustration: Captns

Die Motivation, eine Aufgabe zu lösen oder eine Situation erfolgreich zu bewältigen, wird durch das Gefühl der eigenen Selbstwirksamkeit beeinflusst. Es geht darum, was man sich in einer bestimmten Handlungssituation zutraut, wie man sich Ziele setzt sowie um das Gefühl, die Kontrolle über das eigene Handeln zu haben.

Ausbildende fördern die Motivation der Lernenden, indem sie sie anleiten, sich handlungswirksame, das heisst für sie wünschbare, nahe und überprüfbare Ziele zu setzen. Dazu gehört es, zu kontrollieren, ob diese Ziele erreicht werden und rückblickend den Lernprozess zu evaluieren. Ausbildende gestalten Lern- und Prüfungssequenzen so, dass Erfolgserlebnisse möglich werden. Sie agieren als Vorbild und leben Berufsstolz vor.

4. Prinzip: Lern- und Arbeitsprozesse steuern und reflektieren lassen

Illustration Notizbuch
llustration: Captns

Handlungspläne steuern unser Lernen sowie die Art, wie wir Probleme lösen und arbeiten. Diese Steuerung schliesst das Antizipieren, Planen, Überwachen und Kontrollieren einer Lern- oder Arbeitshandlung ein. Wichtig ist, nicht nur ein Lern- oder Arbeitsergebnis zu kontrollieren, sondern auch den Weg zu überdenken, der dazu führte – und dies nicht nur, wenn Fehler passiert sind, sondern auch, wenn etwas gelungen ist.

Ausbildende unterstützen die Lernenden in ihren metakognitiven Lern- und Problemlöseprozessen. Sie leiten sie dabei an, ihr konkretes Vorgehen zu reflektieren. Dabei werden praktische Erfahrungen, die Lernende anhand von Aufgaben machen, mit ihnen durchgearbeitet, reflektiert und gleichzeitig mit theoretischen Konzepten verknüpft . Dies kann in Form von kurzen Hinweisen und Feedbacks, Gesprächssequenzen, aber auch von Lernjournalen, Beiträgen in der Lerndokumentation, regelmässigen Gesprächen über Lern- und Problemlösesituationen usw. stattfinden.

5. Prinzip: mit den Lernenden Lern- und Arbeitsstrategien optimieren

Illustration Handy, Marker Lineal
llustration: Captns

Lernende verfügen über ein individuelles Repertoire an Lern-, Problemlöse- und Arbeitsstrategien, das sie in ihrem bisherigen Leben aufgebaut haben. Diese kognitiven Strategien sind geistige Werkzeuge. Sie helfen, Wissen im Langzeitgedächtnis zu verankern und gezielt wieder abzurufen.

Ausbildende leiten die Lernenden dazu an, ein Bewusstsein für ihr eigenes Wissen und die Zusammenhänge von wichtigen Begriffen und Konzepten zu entwickeln. Dieses Bewusstsein gilt es zu erweitern und gezielt zu nutzen, um Probleme zu lösen. Für jede Aufgabe müssen die Lernenden dabei die geeigneten Werkzeuge wählen. Bei einfacheren Aufgaben wie Auswendiglernen wenden Lernende Oberflächenstrategien an, beispielsweise das Unterstreichen in Texten oder das Schreiben von Lernkärtchen. Bei komplexeren Aufgaben, in denen Bedeutungszusammenhänge verstanden werden müssen, wenden sie Tiefenstrategien an. Darunter fallen zum Beispiel Paraphrasieren, Skizzen- und Mapping-Techniken oder Fragen stellen.

    Literatur

    Cover Buch Ausbilden und Lernen am dritten Lernort
    Neuerscheinung
    Meier, T., Jöhr, M. & Kammermann, M. (2022). Ausbilden und Lernen am dritten Lernort. Situationsorientierte Didaktik für Ausbildende. Bern: hep.
    (erscheint Ende Mai 2022)

    Diese Zusammenstellung basiert auf dem Kapitel «Lernen verstehen» des Lehrbuchs «Ausbilden und Lernen am dritten Lernort. Situationsorientierte Didaktik für Ausbildende».